Die Banalität des Guten und die Bischof­straße.

Es ist mir bewusst, nur durch Erzählungen ein wenig zu erahnen, was es heißt, obdachlos zu sein. Einige dieser Schilderungen kenne ich von meiner Frau, die in der Wohnungslosenhilfe tätig ist. Geschichten und Schicksale verbergen sich auf allen österreichischen Straßen. Auch in der Bischofstraße in Linz. Hier wohnte Adolf Eichmann, hier deportierte man jüdische Zuckerlfabrikanten, hier dokumentierte Tarek Leitners Vater Historie, hier fanden „nicht Sesshafte“ wieder Halt und wir Trödel im Laden. Und: Hier feiert die Arge für Obdachlose ihren 40. Geburtstag. Viel Dank in wenig Zeilen.

Bischofstraße 7.

Die Arge für Obdachlose feierte am 28.9.2023 ihr 40jähriges Bestehen in der Linzer Bischofstraße, wo bis heute ein Trödlerladen an die Anfänge einer lebensrettenden Initiative erinnert und nach wie vor Wirkung zeigt. Hausnummer 7. Vor dem Krieg produzierte und verkaufte an dieser Adresse die jüdische Familie Schwager begehrte und beliebte Zuckerl.

Bischofstraße 3.

Wenige Meter daneben, im Haus mit der Nummer 3, wohnte die bis dahin unbekannte Familie von Adolf Eichmann, der als einer der Ausführenden der „Endlösung der Judenfrage“ im Zweiten Weltkrieg gilt und dafür zum Tode verurteilt wurde. Einige Jahrzehnte später wuchs hier der ORF Anchorman, Journalist und Buchautor Tarek Leitner auf, dessen Vater einen Teil dieser Geschichte(n) auf Film festhielt.

Berlinz.

Tarek Leitner war, neben Bürgermeister Klaus Luger, Bischof Manfred Scheuer und der Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde Charlotte Hermann, einer der vielen Gratulant:innen zum 40. Jubiläum der Arge für Obdachlose. Und, er stellte sein Buch „Linz – Berlin, Wie mein Vater sein Glück verbrauchte“ vor, das, wie die Arge, seinen Ausgang in der Bischofstraße fand und mir Erkenntnis schenkte.

Banalität des Guten.

Die berühmte Soziologin Hannah Arendt war in den 1960ern Prozessbeobachterin, als sich Adolf Eichmann vor einem israelischen Gericht verantworten musste. Sie prägte die Beschreibung der „Banalität des Bösen“. Angelehnt an dieses Zitat fand Tarek Leitner mit der Formulierung „Banalität des Guten“ einen sehr einprägsamen Bogen am Ende seiner Präsentation und als Quintessenz des Abends.

Das Gute liegt immer auch im Hebel, der uns zugänglich ist. Das hat mir diese Zusammenkunft helfender Menschen wieder vor Augen geführt. Eine warme Mahlzeit, ein aufbauendes Gespräch, eine Umarmung – es fängt mit Gesten an. Mit wertschätzenden Arbeitsplätzen kann es weitergehen, und in inklusiver Immobilien-, Raum- und Stadtplanung münden. Vermeintliche Banalitäten darf vulnerable Gruppen in der Stadtplanung nicht ausschließen – man denke an unscheinbare Kleinigkeiten, wie Armlehnen auf Parkbänken, die das Liegen verunmöglichen oder an den Ordnungsdienst der Wohnungslose verweist.

Erst heuer wurde ein Prix Ars Electronica für Innovationen genau in diesem Bereich vergeben. Ausgezeichnet wurde ein Projekt, das Aspekte sichtbar macht, wo vulnerablen Gruppen durch Stadtplanung Möglichkeiten genommen, anstatt gegeben werden. Absperrung oder Ausgrenzung hat noch nie Frieden gestiftet. Das würde Tarek Leitners Vater vermutlich bestätigen.

Herzlicher Dank.

Wir haben jenen Menschen zu danken, die sich unermüdlich im Job, in der Freizeit, im Ehren- oder Hauptamt für andere Menschen engagieren und unbeirrbar an das Gute im Menschen glauben. 

Und natürlich den vielen helfenden Hände der Arge für Obdachlosigkeit, denen man einfach nicht oft genug DANKE sagen kann, dass sie unermüdlich Brücken bauen, Rampen legen und das Gute tun. Das ist gar nicht banal. 

Kein Geschenk. Eine Empfehlung!

Das Buch von Tarek Leitner und der Trödlerladen sind eine klare Empfehlung, entsprechende Links sind am Ende des Blog-Beitrags.