Mensch­heit im Mündungs­feuer

Wir sind von Dystopien umstellt. Gerade deshalb müssen wir uns öffnen – für eine gemeinsame Kraftanstrengung. Auf Einladung von Prof. Siegfried Meryn und dem Future Health Lab hatte ich die Möglichkeit mit Vertrerter:innen aus Wirtschaft und Wissenschaft zu diskutieren, wie diese aussehen kann. Wir haben 5 Punkte identifiziert.

Die Menschheit geht mit dem unbehaglichen Gefühl einer Gnadenfrist in die Zukunft. Mit der Ahnung, dass eine Kugel abgeschossen wurde, die ihr Ziel in vielen Ländern bereits erreicht hat und nun uns im Visier zu haben scheint. Ihre Flugbahn macht Angst. Und, die Schützen, zu denen manchmal wir selbst gehören.

Wir kennen die Bilder von zerfetzten Menschen und explodierten Träumen. Wir hören von den Auswirkungen auf Natur und Klima, riechen verbrannte Erde und fühlen gesellschaftliche Ein- und Austrittswunden. Die Welt als Menschenschlachthaus, als Ort der Verdammnis, als brennende Zivilisationswiege.

Wir sind unter Druck.

Das schiere Tempo des Weltgeschehens, dieses Trommelfeuer der Ereignisse wird uns erhalten bleiben und sicherlich noch zunehmen. Die Vorkommnisse der letzten 20 Jahre bedeuteten eine Zäsur in der voran sprintenden Menschheitsgeschichte! Der Ereignisdruck war enorm. Er sprengte alle Grenzen und war keine mediale Erfindung, kein Zufall, weder Teufels Werk noch Gottes Beitrag. Es war der Lauf der Geschichte, beschleunigt durch Technologie, Politik und die Dynamik der Märkte. Die Grundprobleme sind nach wie vor: der ökologische Raubbau, eine rücksichtslose und enthemmte
Weltwirtschaft sowie eine zunehmend machtlose und gestaltungsunfähig(e) (erscheinende)Politik.

Nun, dies hier sind keine Zeilen der Verniedlichung und des Negierens. Im Gegenteil, die Zeiten sind tatsächlich ernst. Wir sind unter Druck.

Unter Druck werden Diamanten geboren

In Form von „Oral History“ werden die Weisheiten der Altvorderen von Generation zu Generation weitergegeben – auch in meiner Familie. Dazu zählt etwa, dass unter Druck Diamanten geboren werden. Dieser der Bergbaukultur entnommene Sinnspruch dürfte wohl ausdrücken, dass die Härten des Lebens wertvolle Veränderungen auslösen können, dass Schicksalsschläge und Belastungen veredeln, für den nötigen charakterlichen Schliff sorgen, Resilienz fördern und so einen Ansporn darstellen können und sollen.

Richtig kann sein, dass sich diese Weisheit für die gerade Getroffenen und Taumelnden, den Fragmentierten und Verzweifelten als Hohn oder Socialmedia-Spruch zu erkennen gibt.

Oma und Herr Toynbee bitte

Ich möchte aber anmerken, dass diese Sätze am Ende ihres Lebens, nach überstandener oder durch gemeinsame Kraftanstrengung abgewendete Katastrophen erzählt wurden. Außerdem rufe ich noch den letzten großen Universalhistoriker des 20. Jahrhunderts und Geschichtsphilosophen Arnold Joseph Toynbee in den Zeugenstand.

Er sagt:

„Echte Wertschätzung, Respekt und gegenseitiges Wachstum entstehen, wenn man gemeinsam schwierige Dinge tut.“

“The true appreciation, respect and mutual growth comes from getting doing hard things together”

Arnold Joseph Toynbee

Kollaboration und Kraftanstrengung

Was haben wir aus früheren Krisen gelernt und wie können wir uns und unsere Systeme besser auf zukünftige Krisen vorbereiten? Eine zentrale Erkenntnis aus der COVID-Krise war zum Beispiel, dass es uns in jenen Bereichen leichter gefallen ist zu kooperieren und rasch Lösungen zu entwickeln, wo bereits vor der Pandemie Vertrauensbeziehungen bestanden hatten. Kurz gesagt, können Kollaborationen nicht nur Expertise bündeln und Adaptionsfähigkeit und Flexibilität erhöhen, sondern auch gegenseitiges Vertrauen erzeugen, was die Resilienz in Krisenzeit stärkt.

Act of Movement

Die Tugend der Kumpanen ist nun gefragt. Brechen wir die Krusten aus verhärteten Angstsymptomen, unterzeichnen wir einen gesamtgesellschaftlichen Act of Movement, um in einer kollaborativen Kraftanstrengung das Ruder zu drehen. Die Zukunft ist nicht im Negativen determiniert, deshalb sollten wir sie nicht kampflos aufgeben.

Was es jetzt braucht

An jenem Abend wurden die Erfahrungen der Teilnehmer:innen zusammengeführt und gemeinsam darüber diskutiert, wann Kooperationen über Systemgrenzen hinweg gelingen und wie zeitgemäße Kooperationsformen gestaltet sein sollten. Die folgenden Kriterien haben sich als überdurchschnittlich wichtig in systemübergreifenden Kooperationen erwiesen:

        1. ein gemeinsames Zielbild;

        2. Druck, den Status Quo zu verändern;

        3. Mut, Optimismus und einen Ort zum Aufbruch;

        4. gemeinsame Spielregeln mit klaren und transparenten Strukturen;

        5. ein ehrliches Interesse am/an der Kooperationspartner:in.

Fotos: (c) Studio F Yvoanne Fetz