Resümee: Welt­deutung und Work­ation. Die Sommer­akademie der School of Phi­lo­so­phy 2023

144. Hundertvierundvierzig Stunden philosophieren in der Fremde. Eine Reise, die ich alleine als Fremder antrat und nun, heimgekommen, als Freund beschreibe. Als Freund bislang unbekannter Menschen, als Freund der Philosophie, als Freund neuer Methodik, come amico della Scuola di Filosofia. Dies ist also mein Erfahrungsbericht über sechs Nächte und sechs Tage School of Philosophy.

144 – Glücksfall statt Notruf

In Österreich wählen wir bei allen medizinischen Notfällen die Sanitätsnotrufnummer 144 – sie ist rund um die Uhr erreichbar, Fachpersonal stellt die richtigen Fragen, es wird geholfen. So ähnlich habe ich es mir wohl vorgestellt, als ich spontan, auf einen Tipp hin, die School of Philosophy gebucht habe. Aus dem innerlichen Drängen heraus, die Welt zu deuten und dadurch neue Ideen zu generieren, wollte ich mich auf ein ungewohntes Setting einlassen: Weltdeutung und Workation in der Toskana in unbekannter Gesellschaft. Aus einem inneren Notruf wurde ein Glücksfall!

Die Renaissance der Philosophie

Warum ich mit Blaulicht und Folgetonhorn in das Silicon Valley der Hochrenaissance und hin zur Villa Rigacci nach Reggello wollte? Die Fähigkeit, herausragende, ungestellte oder kreative Fragen zu stellen, wird zumindest eine Zeitlang eine Form zur Unterscheidung von Künstlicher Intelligenz sein.  Da bin ich mir sicher. Es scheint mir daher möglich, dass wir angesichts des Fortschritts von KI-Modellen und der wachsenden Bedeutung von Fragen ein neues Interesse und eine dringliche Notwendigkeit an philosophischen Untersuchungen und Denkweisen erleben. Auch aus diesem Grunde wollte ich in das temporäre Klassenzimmer der Toskana, um mich, in dieser Praxis zu schulen, zu ertüchtigen, zu disziplinieren.

Il magico I medici: Bernd Waß und Heinz Palasser

Unter meist strahlender italienischer Sonne wurden wir von den Gelehrten, Dr. Bernd Waß und Dr. Heinz Palasser, in die Biografien und durch die Gedankengebäude der Denktitanen Gottfried Wilhelm Leibniz und Arthur Schopenhauer geführt. Während Schopenhauer und Leibniz Antipoden sind, sind Palasser und Waß zwei Medaillen einer Seite. Es gelang den Regisseuren Waß & Palasser ein großes philosophisches Kinogebäude unter einem Himmel voller Burratinawolken zu errichten. Mit gedanklichen Filmen der Klassik, die bei weitem mehr eingespielt haben, als sie gekostet haben. Mein aufrichtiger Dank dafür!

3 Tage Leibniz: Grundriss eines philosophischen Meisterwerks

Dr. Bernd Waß begann mit Gottfried Wilhelm Leibniz. Seine Metaphysik ist faszinierend: Gott erdenkt sich unendlich viele mögliche Welten, wählt die beste aus und verwirklicht sie. Die verwirklichte Welt – die Welt, in der wir selbst leben – entwickelt sich ohne Ausnahme entlang der göttlichen Blaupause. Doch wie lässt sich dieser Determinismus mit der Freiheit des Menschen in Einklang bringen und wie zum Teufel kann es sein, dass die beste aller möglichen Welten derart viele Übel aufweist? Wohl weil sie eben nicht Gott ist.

Und wie kann ich als selbstständiger Unternehmer und Créateur diese Vorstellung überhaupt nur denken?

3 Tage Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung

Dr. Heinz Palasser ging nahtlos zu Schopenhauer über. Für Schopenhauer ist die Welt unumgänglich leidvoll. Auf den Schultern von Kant stehend entwickelt er in seinem Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ eine Theorie der Erkenntnis: Die Welt ist nichts als Vorstellung und jenseits dieser Vorstellung blinder, ewig drängender Wille – Ursache allen Weltleids. Mit grimmiger Einfühlsamkeit für das Menschsein sucht Schopenhauer nichtsdestoweniger nach Inseln der Ruhe und findet sie in der Kunst, insbesondere der Musik, und in der Moral, insbesondere im Mitleid.

Il mio amico Arthur, von den beiden angeboten und berühmten Weltdeutungen scheint mir deine Vor-Gestelle näher. Aber was weiß ich?!

Kein Empire der Empirie

Nicht alles kann man messen, nicht alles kann man zeigen. Für mich war es eine Woche voller intellektueller Welterfahrung und purer Lebensfreude, die ich jedem Philosophieliebhaber, jeder Eskapistin und Genießer von Herzen empfehlen möchte.

Die Sommerakademie bietet die Möglichkeit, ohne Vorkenntnisse in die Denkwelten von Philosoph:innen einzutauchen. Mit einer mich überraschenden Ernsthaftigkeit und gleichzeitigem dolce Vita. Die Sommerakademie der School of Philosophy war eine Melange aus Kunst und Kultur ist eine geistige Inspiration und ein sinnlicher Genuss. Eine die nach Wiederholung schmeckt!

Compagno d’armi, die Mitdenker:innen, ein Privileg jene Männer und Frauen, Paare und Singles, Junge und Alte, erblühende und verwundete Charaktere kennen lernen zu dürfen. Alle fremd, nun alle Freund:in.

Habe Mut dich deines Navis zu bedienen

Der Start dieser Reise erzählt sich wie der Beginn eines Witzes: Ein Philosoph und ein Künstler fahren mit dem Auto, die KI ihres Navigationssystems rät im Minutentakt zu einer Alternativroute, die beiden entscheiden sich für die für sie „schönste“ Route. Blockabfertigung belehrte sie dessen, dass man in gewissen Situationen auf Künstliche Intelligenz vertrauen sollte.

Das war die erste Aufklärung, die diese Reise mit sich brachte. Nun, zurück im Hausruck, denke ich darüber nach, wie wir die Erkenntnisse der Philosophie nutzen können – im Wissen, dass sie nicht „will“. Ich denke darüber nach, wo wir temporäre Klassenzimmer der School of Philosophy einrichten könnten: In der Technologiewerkstatt der Gegenwart, der GRAND GARAGE? Im Oberstufengymnasium für den Digitalen Humanismus, der Rose? Im Stift Wilhering? In den Räumlichkeiten der Wegbereiter:innen der DELTA Gruppe? Bei befreundeten Unternehmen? Wenigstens darauf werde ich eine Antwort finden. Und das schon bald.

Das Phantom von Weimar

CM

 

P.S.: Für die Zeit, die schon angebrochen ist, so denke ich, werden wir intellektuellen Geleitschutz brauchen. Ich möchte hier deshalb über eine Quote für Philosoph:innen in Unternehmen nachdenken.

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